Versorgt, verraten, vergessen
Vier Frauen – ein gemeinsames Schicksal. Eingewiesen vom Regierungsrat OHNE Gerichtsurteil in den damaligen Anstalten Hindelbank um 1910. Ihre Delikte, die selbst nach zeitgenössischem Verständnis keine strafrechtlichen Delikte waren: Gemeindebelästigung, liederlicher Lebenswandel, Arbeitsscheu und öffentliches Ärgernis.
Die Ordnung in der Anstalt ist eine Dampfstrassenwalze, die jedes freie Entfalten des Körpers, der Seele und des Geists unterdrückt, im Keim erstickt, erwürgt.
«Die ‹Administrativjustiz› nämlich setzt sich über die Rechtsgrundlagen der Verfassung ebenso wie über die Menschen-, Bürger- und Persönlichkeitsrechte unbedenklich hinweg, indem sie alljährlich Tausende unserer Mitbürger […] bedingungslos zu Staatssklaven erniedrigt, deren Eigentum, Freiheit und Leben praktisch einfach berufungslos beschlagnahmt wird.»
Während das ebenfalls staatliche Strafgesetz etwa die gewaltsame Freiheitsberaubung, die Misshandlung, die Körperverletzung […], die Abtreibung, die Sterilisation, die fahrlässige Tötung mit schweren Strafen ahndet, werden mit dem «administrativen» Verfahren alle diese Vergehen und Verbrechen systematisch, gedankenlos und gewohnheitsmässig vom Staate selbst zu niedrigen, fiskalischen Zwecken verübt, ohne dass es bis heute möglich war, dieser unerhörten Vergewaltigung wirksam zu begegnen.
Albert Loosli, verfasst 1944, publiziert 2007. Auszug aus der Werkausgabe Loosli, Carl Albert: Werke, Band 2, Zürich 2007
Was empfindest und was tust du, wenn dir Unrecht geschieht?